Dem Nordlicht haben immer alle vertraut
Noch schwingt nicht viel Wehmut in seinen Worten mit. Vielleicht liegt das daran, dass der Abschied von Rolf Budelmann als Geschäftsführer des TSV Schmiden einer auf Raten ist. Offiziell scheidet der 64-Jährige zum Jahresende und nach fast 30-jähriger Tätigkeit aus. Danach allerdings, zumindest im ersten Quartal 2021, wird das gebürtige Nordlicht in reduzierter Form seinen drei Nachfolgern (siehe auch Text „Drei neue Geschäftsführer“) als Berater zur Verfügung stehen – online, am Telefon oder an so manchem Präsenztag in Schmiden.
Und dann steht da ja auch noch die Frage seiner Verabschiedung im Raum. „Vernünftig“ wolle er seinen vielen Weggefährten Tschüss sagen. Ein Bedürfnis, das er habe und das groß ist, das aber in Zeiten der Corona-Pandemie alles andere als einfach umzusetzen ist. „Vielleicht kriegen wir es Anfang des Jahres hin“, sagt Rolf Budelmann, der bekanntlich schon viel hingekriegt hat, und der sich in seiner letzten Phase des Arbeitslebens gerade selbst wegrationalisiert. „Ich wickle mich quasi selber ab“, sagt er und lacht. Viel entspannter und ruhiger sei es schon geworden, im Kalender stehen kaum noch Termine – und das nicht nur wegen der Pandemie. Rolf Budelmann hat einfach schon viele Aufgaben an seine Nachfolger übertragen, was ihm nicht schwergefallen ist. „Ich kann sehr gut abgeben“, sagt er.
Ursprünglich wollte der einstige Leistungsturner die Geschäfte des mit 6620 Mitgliedern großen Sportvereins (Stand 1. Januar 2020) noch etwas länger führen, doch das Coronavirus hat ihm mehr oder minder die Lust genommen. Außerdem gibt er zu, dass die Fernbeziehung, die er nunmehr schon seit dem vergangenen Herbst mit seiner zweiten Ehefrau führt, zwar sehr gut laufe, aber trotzdem viel schwieriger sei, als sich das beide zunächst vorgestellt hatten. 830 Kilometer liegen zwischen Schmiden und Flensburg-Handewitt, jener Stadt, die sich das Ehepaar als Alterswohnsitz auserkoren hat. Das große Haus mit dem großen Grundstück, in dem auch eines der vier Kinder mit seiner Familie lebt und wo auch bald wieder ein Hund aus dem Tierheim ein neues Zuhause finden soll, liegt nur sechs Kilometer vom Meer weg – also dort, wo andere Menschen Urlaub machen.
Es sind vor allem klimatische Gründe, die Rolf Budelmann, der in Bremen aufgewachsen ist, wieder in den hohen Norden ziehen. „Ich mag es, wenn der Wind weht“, sagt er. Die stehend heiße Luft hier in der Sonne werde er auf keinen Fall vermissen. Und auch der schwäbischen Kehrwoche wird Rolf Budelmann keine Träne nachweinen. Die muss er – widerwillig – machen, seit er nach dem Verkauf des eigenen Hauses in eine kleine Wohnung in Alt-Fellbach gezogen ist.
Vermissen wird er hingegen viel. Wie das knackige Gemüse auf dem Teller. Im Norden werde ihm das oft viel zu weich gekocht. Und auch die Mitarbeiter in der TSV-Geschäftsstelle, zu denen er immer ein supergutes Verhältnis pflegte, werden ihm fehlen. „Die Damen haben mich quasi adoptiert“, sagt Rolf Budelmann mit einem Strahlen im Gesicht.
Aber auch er wird sicherlich vermisst werden – als Mensch und natürlich zuvorderst als umtriebiger Geschäftsführer, als erfolgreicher Visionär, als absoluter Glücksgriff für den TSV Schmiden, der diesen erst zu dem gemacht hat, was er heute ist: ein Vorzeigeverein und zudem der größte im Rems-Murr-Kreis.
Als Rolf Budelmann am 1. Juli 1991 beim TSV mit einer halben Stelle angefangen hatte, war der Verein mit seinen 2700 Mitgliedern die Summe seiner Abteilungen mit einem Vereinsheim, das noch der Vorstand verwaltete. Der Gesundheits- und Fitnesssport lag komplett brach. „Mir war gleich klar, dass ich diese Lücke auf jeden Fall füllen muss“, sagt er. Schon 1994 wurde die erste Bewegungslandschaft eingeweiht. Ein echtes TSV-Kind. „So etwas gab es vorher nirgends“, sagt Rolf Budelmann, der in Mainz Sport studiert und sein Hauptaugenmerk schon immer auf die Kinder und Jugendlichen sowie eine sportartübergreifende Ausbildung gelegt hatte. Der vereinseigene Freizeit- und Fitnessclub Activity (1998) sowie das Sportforum (2018) sind für Rolf Budelmann weitere Höhepunkte seiner Schaffenskraft. „Mir hat es immer sehr viel Spaß gemacht, solche Konzeptionen zu entwickeln“, sagt er.
Dass der TSV unter Rolf Budelmann zukunftsfähig geworden ist, so wie man es bei seiner Einstellung von ihm verlangt hatte, lag aber auch daran, dass er immer freie Hand hatte. Zwar seien seine Visionen durchaus kritisch beäugt worden, Steine hat man ihm aber nicht in den Weg gelegt. Albrecht Bürkle, bei Rolf Budelmanns Einstellung TSV-Vorsitzender, habe immer gesagt: Junge, mach’! „Innerlich hat er aber bestimmt oft mit dem Kopf geschüttelt“, sagt Rolf Budelmann. Die Schwaben haben dem Nordlicht einfach immer vertraut – auf Vorstands- und auch auf Abteilungsleiterebene. Und deshalb ist es mit dem TSV in den vergangenen fast 30 Jahren auch immer nur bergauf gegangen. Was seine Arbeit betrifft, hat der scheidende Geschäftsführer nun noch ein großes Ziel: Er möchte den geplanten Sportkindergarten auf den Weg bringen.
Danach kann es dann beginnen: sein neues Leben als Rentner. In dem will er, besser als er es bisher getan hat, seine Freundschaften pflegen, von denen er viele hat und für die er sich, auch dank seines Jobs, gar nie großartig bemühen musste. Das wird künftig eine neue Herausforderung werden, vor der Rolf Budelmann zwar keine Angst, aber allergrößten Respekt hat. „Ich weiß, dass ich mir in meiner neuen Heimat ganz schnell soziale Kontakte aufbauen muss“, sagt er. Dass es ihm langweilig werden könnte, glaubt er indes nicht. Zwar hat er mit Volleyball, Tennis und Badminton nicht mehr viel am Hut, weil die Knochen nicht mehr mitmachen. Und Radfahren, Schwimmen und Fitness macht er nur, weil er vernünftig ist und nicht etwa, weil er es mag. Rolf Budelmann hat das Golfspielen für sich entdeckt – auch wenn es anstrengender sei als gedacht. „Ich freue mich über jeden gelungen Schlag“, sagt er. Aktuell liegt sein Handicap bei 42. Es wesentlich zu verbessern ist nicht sein großes Ziel. Lieber würde er schon bald mit dem Wohnmobil von Golfplatz zu Golfplatz fahren und das Leben genießen. „Eigentlich stelle ich mir genau so meine Rente vor“, sagt er.
Bis es soweit ist, werden aber noch einige Wochen ins Land ziehen – und bestimmt wird Wehmut aufkommen. Eine verhaltene Trauer, ein stiller Schmerz bei der Erinnerung an all das, was Rolf Budelmann in fast 30 Jahren beim TSV Schmiden bewirkt und erlebt hat.